• Frage: Welche psychologischen Mechanismen sind am Werk, wenn es darum geht, den Klimawandel zu leugnen oder zu ignorieren?

    Frage gestellt base24due am 8 Dez 2023.
    • Foto: Matthias Zabel

      Matthias Zabel Beantwortet am 8 Dez 2023:


      Wissenschaftler:innen, die sich mit dem Gehirn und den Nerven des Menschen beschäftigen haben Folgendes herausgefunden:
      Das Handeln eines sehr, sehr großen Teils der Menschen ist in aller Regel von „Belohnungen“ angetrieben. Zum Beispiel arbeitet man um sich eine Fernreise oder ein teures Auto leisten zu können. Man tut etwas um etwas zu bekommen oder zu erreichen, sofern das zu Erreichende positiv besetzt ist.
      Deutlich schwerer fällt es uns Dinge zu tun, die mit Verzicht verbunden sind, oder wo die „Belohnung“ außerhalb unseres Zeitspektrums, vielleicht sogar außer unser Lebenszeit liegt.
      In Diskussionen über Massnahmen zur Abmilderung des Klimawandels geht es in erster Linie darum, Dinge nicht mehr zu tun. Man soll nicht oder zumindest weniger Fliegen, möglichst kein Fleich mehr essen, sich vermeindlich teure Heizungen kaufen und so weiter und so weiter. Da ist eine Menge dabei, das in unserer Gesellschaft positiv besetzt ist. Darauf zu verzichten ohne belohnt zu werden fällt schwer.
      Auswirkungen des Verzichtens machen sich beim Erdklima aber erst in vielen Jahren, vielleicht soger erst nach unserem Tod bemerkbar. Erwachsenen mit Kindern fällt es daher zumindest oft etwas leichter „zum Wohl ihrer Kinder“ zu verzichten.
      Will man also die Menschen dazu bringen alle oder einige der von der Wissenschaft als dringend notwendig erachteten Dinge zu tun, sollte die Politik versuchen dieses Handeln zu belohnen, z.B. in dem man weniger Steuern bezahlen muss. Alternativ müsste man versuchen andere Dinge in unserm Kopf positiv zu besetzen. Z.B. das für viele positive Gefühl einen SUV zu fahren durch ein mindestens ebenso positives Gefühl zu ersetzen lieber Fahrrad oder Bus oder Bahn zu fahren. Leider spielt da die Wirschaft nicht mit. Da ist es doch besser man glaubt nicht an den Klimawandel oder ignoriert ihn und muss dann nichts verändern.
      Neben der Psychologie spielt aber noch andere Sachen eine Rolle, z.B., dass Wetter oft mit Klima verbunden/verwechselt wird und das Klimaveränderungen nicht kontinuierlich, d.h. ohne Schwankungen verlaufen. Natürlich gibt es auch immer wieder Ausreißer, aber der langjährige Trend ist eindeutig und kann nicht geleugnet werden.

    • Foto: Leonie Barghorn

      Leonie Barghorn Beantwortet am 9 Dez 2023:


      Ein typischer psychologischer Mechanismus, der im Zusammenhang mit der Klimakrise oft auftritt, ist die kognitive Dissonanz. Kognitive Dissonanz bedeutet, dass man sich widersprechende Gedanken hat, oder dass deine Handlungen nicht zu deinen Überzeugungen passen. Beispielsweise machst du eine Flugreise, obwohl du weißt, dass sie schlecht für das Klima ist. Dazu passt, was Matthias geschrieben hat. Es fällt uns schwer, trotz unserer Überzeugungen richtig zu handeln, weil die Belohnungen für das richtige Handeln weit in der Zukunft liegen und für uns schwer greifbar sind.

      Ein weiteres typisches (wenn auch nicht unumstrittenes) Problem, das sich auch auf die Klimakrise anwenden lässt, ist die „Tragik des Gemeinguts“. Wir gehen viel eher schlecht mit Dingen um, die allen gehören (zum Beispiel Toiletten an Autobahnraststätten) als mit Dingen, die uns alleine gehören. Unter anderem liegt das daran, dass wir uns nicht ausnutzen lassen wollen – wenn andere schlecht mit etwas umgehen, und dadurch kurzfristig einen Vorteil haben, wollen wir uns nicht unnötig anstrengen, um als einzige gut damit umzugehen. Wenn alle Auto fahren, und das Klima verpesten, warum sollte ich mich dann mit dem Rad abmühen?

    • Foto: Nora Spirkl

      Nora Spirkl Beantwortet am 11 Dez 2023: last edited 11 Dez 2023 10:10 am


      Das ist eine sehr spannende Frage, zu der du schon ein paar super Antworten bekommen hast, die ich noch ergänzen möchte.

      Grundsätzlich löst der Klimawandel bei vielen Angst und Unsicherheit aus – die Klimakrise fühlt sich oft unkontrollierbar und überwältigend an. Da ist es natürlich angenehmer, nicht darüber nachzudenken oder das Problem herunterzuspielen. Aus der Forschung weiß man auch, dass Menschen, deren psychologische Grundbedürfnisse erfüllt sind (denen es also insgesamt besser geht), weniger anfällig für Klimawandelleugnung sind.

      Außerdem ist es ein Problem, dass der Klimawandel im Vergleich zu einzelnen Ereignissen langsam passiert und die Auswirkungen auf andere Länder der Welt im Moment viel stärker sind als hier in Deutschland. Dadurch kann es sich auch in unserem Kopf weiter weg anfühlen (man nennt das psychologisch Distanz).

      Ein weiteres Problem ist das Misstrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse sowie bestimmte Werte und Ideologien (Weltanschauungen), die zum Beispiel ständigen Konsum, Autofahren, Flugreisen und andere klimaschädliche Verhaltensweisen als cool darstellen. Werte und Ideologien sind auch eng mit der eigenen Identität verbunden. Wenn man Menschen sagt, sie müssen ihr Verhalten in Bezug auf das Klima ändern, dann kann sich das wie ein Angriff auf sie selbst und ihre Freiheit anfühlen, sodass Menschen trotzig reagieren und sich nicht verändern möchten (man nennt das Reaktanz).

      Was können wir gegen diese verschiedenen Mechanismen tun? Wenn wir über die Klimakrise sprechen, sollten wir die Dringlichkeit kommunizieren – aber gleichzeitig ist es auch sehr wichtig, verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, gegen die Klimakrise anzugehen, damit Menschen nicht das Gefühl haben, keine Kontrolle darüber zu haben. Außerdem ist es wichtig, klimazuträgliche Werte (also zum Beispiel Verantwortung, Kooperation, eine gesunde Umwelt, usw). zu stärken. Wir können, wenn wir über das Klima sprechen, auch versuchen herauszufinden, was dem Gegenüber wichtig ist und dann zeigen, wie das mit dem Klima zusammenhängt – zum Beispiel ist fast allen Menschen Gesundheit sehr wichtig, und dann kann man über den Zusammenhang von Klima und Gesundheit sprechen.

      Wenn du noch mehr darüber lesen möchtest, findest du hier eine super Übersicht: https://www.eltern-bildung.at/expert-inn-enstimmen/die-sieben-drachen-der-untaetigkeit/

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