• Frage: Wie wirkt der Meeresspiegelanstieg auf Küstengebiete ?

    Frage gestellt rays24jet am 5 Dez 2023.
    • Foto: Claudia Lindner

      Claudia Lindner Beantwortet am 5 Dez 2023:


      Ein Meeresspiegelanstieg von ein paar Zentimetern klingt erst mal harmlos – aber es steckt noch viel mehr dahinter! Ein paar Zentimeter mehr auf einem ganzen Ozean bedeuten auch mehr Wasser, das bei schweren Stürmen ins Land gedrückt werden kann. Auch auf Deiche und Schleusen wirkt dann bei Sturmflut ein höherer Wasserdruck und sie müssen verstärkt werden. Es bedeutet, dass Flüsse im Mündungsbereich ebenfalls ansteigen, und, dass das Süßwasser, das sie mitbringen, schon etwas weiter flussaufwärts von Salzwasser verdrängt wird. Pflanzen, die kein Salz vertragen, sterben dann. Felder in Küstenregionen, auf denen es zu viel geregnet hat, müssen dieses Wasser wieder ableiten, aber das geht nur, wenn das Meer wenigstens ein paar Zentimeter tiefer liegt. Bleibt das Wasser auf den Feldern stehen, können auch nur wenige Pflanzen überleben.

      Da wir Menschen viel Wasser aus Flüssen entnehmen, drückt das Süßwasser auch nicht mehr gegen das Salzwasser, das vom Meer eindringt. Ein höherer Meeresspiegel drückt das Wasser weiter ins Land. In manchen Flussdeltas kommt es dadurch bereits zu einer Versalzung des Bodens, zum Beispiel im Nildelta. Die Felder eignen sich sehr schnell nicht mehr für den Anbau von Nahrungsmitteln, weil die wenigsten Anbaupflanzen so viel Salz vertragen.

      An Orten, an denen starke Gezeiten (Ebbe und Flut) auf flache Küsten treffen, lässt sich auch schon beobachten, dass Straßenzüge bei Springtiden (wenn der Mond so zur Sonne steht, dass diese Flut und Ebbe noch verstärkt) ein paar Zentimeter tief unter Wasser stehen. In Süd-Florida passiert dies schon seit einigen Jahren. Dort nagt der steigende Meeresspiegel auch bereits an der Küste. Der Strand bricht ab und Häuser direkt am Strand stehen auf einmal im Wasser – oder fallen in sich zusammen. Daran sind auch starke Strömungen und schlechte Bauvorschriften Schuld, doch der steigende Meeresspiegel verstärkt das Problem.

      Je weiter der Meeresspiegel steigt, desto mehr verstärkt er also altbekannte Gefahren des Meeres. Irgendwann steht er aber so hoch, dass Städte sich entweder hinter Deichen verstecken oder aufgegeben werden müssen. Weltweit werden riesige landwirtschaftliche Flächen erst versalzen und schließlich überschwemmt.

    • Foto: Ben Marzeion

      Ben Marzeion Beantwortet am 6 Dez 2023: last edited 7 Dez 2023 7:40 am


      Wie Claudia schon geschrieben hat, ist zunächst nicht das Problem, dass der Meeresspiegel im Mittel höher ist. Wenn Ihr schon mal an der Nordsee ward und auf einem Deich gestanden habt, könnt Ihr gleich sehen, dass 30 oder 50 cm mehr an normalen Tagen überhaupt kein Problem sind.

      Das Problem sind die Extremereignisse, d.h. die Sturmfluten. Damit heute eine gefährliche Sturmflut entsteht, müssen viele Dinge zusammenkommen: starker Wind aus der „richtigen“ Richtung, außerdem noch „gutes“ Timing mit den Gezeiten (wenn der Sturm das Meer bei Niedrigwasser auf Land drückt, passiert nicht viel).

      Wenn der Meeresspiegel ansteigt, bekommt das Meer ein bisschen Vorsprung. Und das bedeutet, dass nicht mehr so viel perfekt zusammenkommen muss, um eine gefährliche Sturmflut auszulösen. Dann reicht etwas schwächerer Wind, oder er kann aus der „falschen“ Richtung kommen, oder es gibt Probleme selbst dann, wenn der Sturm nicht perfekt mit dem Hochwasser zusammenfällt. Solche „kleinen“ Extremereignisse sind viel, viel häufiger – was bedeutet, dass durch den Anstieg des Meeresspiegels die Zahl der Sturmfluten stark ansteigt. Das kann man auch schon in den letzten Jahrzehnten gut beobachten (z.B. hier: https://hub.hereon.de/portal/apps/experiencebuilder/experience/?id=c157b389112c4207abe338ec5347ea0f&page=Cuxhaven&views=H%C3%A4ufigkeit- link nachträglich bearbeitet)

      Dementsprechend wird an fast allen Küsten in Deutschland (aber auch in den meisten anderen Ländern) der Küstenschutz verbessert. Das funktioniert auch gut. Allerdings gibt es auch Grenzen: wenn der Meeresspiegel irgendwann mehr als 2 m höher ist als heute, wird es in vielen Gebieten mit Küstenschutzmaßnahmen sehr schwierig sein. Und leider ist es sehr wahrscheinlich, dass der Meeresspiegel so weit steigt – die Frage ist nur, wie lang wir bis dahin Zeit haben. Selbst im allerschlimmsten Fall wird das fast sicher nicht vor dem Jahr 2100 passieren. Wenn wir Menschen viel besser darin werden, den Ausstoß von CO2 zu verkleinern, können wir das sogar mehrere Jahrhunderte hinauszögern.

Kommentare